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Vertragserstellung 4.0

Aktualisiert: 15. Nov. 2022

Warum Verträge elegant sein sollten


Während meiner Konzipientenzeit hörte ich einmal den Satz eines Kollegen, dass die “besten” Verträge jene seien, die im Schrank verstauben. Das stimmt freilich nur bedingt. Vielleicht waren auch nur klar und präzise strukturierte Verträge gemeint, die gerichtliche Auseinandersetzungen (über oder in Zusammenhang mit dem jeweiligen Vertrag) erst gar nicht aufkommen lassen. Ein Vertrag erfüllt dieses Qualitätsmerkmal meist nicht, wenn er undurchsichtig aufgebaut, sprachlich verklausuliert verfasst ist und zu mehr (Auslegungs-)Fragen als Antworten führt.


Doch wann sind Verträge nun elegant?


Jedenfalls dann nicht, wenn das nur der Vertragsverfasser selbst meint. Abgesehen von juristischer Präzision (das wird vorausgesetzt) ist hier zunächst ausschließlich die Meinung der Vertragsparteien selbst und im zweiten Gang der weiteren Leser des Vertrages relevant. Finden sich die Vertragsparteien im Vertragstext wieder und ist ihr Anliegen richtig abgebildet, sind dies starke Indizien für einen eleganten Vertrag. Wie bei einer guten (dh erfolgreichen) App oder Softwarelösung kommt es daher nicht nur auf die “usability” eines Vertrages an, sondern insbesondere auf die “user experience” während des gesamten vertraglichen Lebenszyklus. Wird es dann doch einmal haarig (dh streitig), wird das berufene (Schieds-)Gericht über die Qualität des Vertrages letztlich entscheiden, wiewohl sich Konflikte rund um einen Vertrag oft im Vorfeld, zB im Wege der Mediation, lösen lassen.


Neben juristischem Tiefgang erfüllen elegante Verträge daher grundsätzlich drei wesentliche Grundvoraussetzungen, wobei an dieser Stelle Fragen des Abgehens vom generischen Maskulin in Verträgen außen vor bleiben. Diese sind von weitaus berufeneren Experten zu beantworten. Wenn daher nachstehend individuelle Begriffe der deutschen Sprache gemeint sind, erfolgt ausschließlich eine Orientierung an den Vorgaben des österreichischen Wörterbuchs.


Moderne Formatierung


Meist kommt es auf den ersten Eindruck an. Das gilt auch für Verträge und hier insbesondere deren Formatierung. Die verwendete Schriftart spielt da eine große Rolle.


Leider ist es oft noch so, dass Vertragsverfasser - sei es zur Wahrung der eigenen Corporate Identity oder auch nur aus Gründen der eigenen Gewohnheit - auf altbackene, serifenbetonte Schriftarten, wie zB Times New Roman oder Georgia, in Verträgen setzen. Serifen-Schriften sind jedoch gerade auf Bildschirmen und Tablets schwer lesbar und lassen den Leser bei rein elektronischer Durchsicht (aber auch analog) rasch ermüden. Ein eleganter Vertrag verzichtet dagegen auf diese Schnörkel und ist ausnahmslos in seriflosen Schriftarten, wie zB Arial oder Helvetica, verfasst.


Neben einem ausreichenden Zeilenabstand kommt bei der Formatierung eines eleganten Vertrages freilich auch der Schriftgröße eine wesentliche Bedeutung zu. Manche Vertragsverfasser neigen dazu, scheinbar “unwichtigere” Vertragsbestimmungen - sogar zB salvatorische Klauseln oder Kostentragungsregeln - im Stile Allgemeiner Geschäftsbedingungen und mitunter in Miniaturschriftgröße in Vertragsanhänge zu packen. Abgesehen von der Frage, was überhaupt in einem Vertrag als "unwichtig" angesehen werden kann, verfolgt das meist den Zweck, den Hauptteil der Vereinbarung schlank zu halten und womöglich auch die Aufmerksamkeit des Lesers von diesen eigentlich doch recht bedeutsamen Bestimmungen wegzulenken. Vertragsanhänge selbst haben selbstverständlich ganz einen anderen Zweck: Durch das Anschließen von bspw Tabellen, Rechenmodellen oder grafischen Elementen in Anhängen können Regelungen des Hauptteils des Vertrages vielmehr untermauert oder mathematisch / technisch (weiter) erklärt und präzisiert werden. Eine gängige Praxis ist es zB auch Gewährleistungskataloge von Unternehmenskaufverträgen in Anhängen abzubilden. Das soll ein vom Hauptteil des Vertrages weitestgehend isoliertes Verhandeln dieses Regelungskreises ermöglichen, was bei Mitwirken aller Parteien jedoch durchaus der gesamten Verhandlungsökonomie dienen kann.


Elegante Verträge haben demgegenüber eine Schriftgröße von zumindest 10,5 pt. Vertragsanhänge sind integrale Bestandteile der gesamten Urkunde, haben einen transparenten Erklärungswert und dienen unter anderem der Präzisierung des wirtschaftlichen oder technischen Kontexts von Bestimmungen des Hauptteils.


Klarer Aufbau


Der Aufbau eines eleganten Vertrages ist präzise und erlaubt einen raschen Einstieg in den Inhalt des gewollten Vertragszwecks und zwar gleich bei der ersten Vertragsdurchsicht.


Es kommt leider viel zu oft vor, dass Vertragsverfasser zB auf Überschriften in Verträgen zur Gänze verzichten oder Überschriften verwenden, die nichts mit dem Text der jeweiligen Bestimmung zu tun haben. Der Erklärungswert (Vorteil?) eines solchen Ansatzes bleibt meist im Verborgenen. Elegante Verträge nützen dagegen Überschriften zur knappen Zusammenfassung und als Einstieg in den Inhalt der jeweiligen Vertragsbestimmung.


Eine gute Gliederung setzt aber auch bereits bei den Informationen über die Vertragsparteien auf der ersten Seite an. Diese sollten nicht nur Namen, Adressen, Geburtsdaten oder Firmenbuchnummern, sondern auch gleich alle wesentlichen Kontaktinformationen (Emailadressen und Telefonnummern) der Vertragsparteien und gegebenenfalls deren Vertreter enthalten. Das vermeidet mühsames Suchen dieser wichtigen Details, was bei weniger eleganten Verträgen leider oft der Fall ist. Elegante Verträge ersparen das ihren Parteien und Lesern und haben diese Informationen somit griffbereit.


Einfache Sprache


Das wohl wesentlichste Erfolgskriterium von eleganten Verträgen ist jedoch deren knappe und einfach verständliche Sprache.


Elegante deutsch-sprachige Verträge verzichten daher zB auf Formulierungen wie “Unbeschadet dessen gilt, dass …” oder im Englischen auf verklausulierte Sätze, die etwa mit der Wortfolge “For the avoidance of doubt…” oder gar mit “For the sake of clarity [or completeness]…” beginnen. Gerade letztere werden manchmal am Ende einer ganzen Vertragsbestimmung verwendet, um etwaige Zweifel über das davor Geregelte auszuschließen oder wiederholen den eigentlichen Regelungszweck der gesamten Bestimmung in anderen Worten oder (verwirrend) verknappt. Hat der Vertragsfasser aber selbst schon Zweifel über die Klarheit seiner eigenen Formulierungen und setzt auf diesen entbehrlichen “Kniff”, sollten sämtliche Alarmglocken mit Blick auf die Wertigkeit derartiger Verträge schrillen. Auch bei der Verwendung des Wortes “shall” in englischen Vertragstexten ist im Übrigen Vorsicht geboten, insbesondere wenn es um die Betonung einer besonderen Pflicht einer der Vertragsparteien oder die Formulierung eines Anspruchs in Verträgen geht. Je nach Sinnzusammenhang kann dieses Wort zumindest fünf unterschiedliche Bedeutungen haben und sollte somit nur zurückhaltend in Vertragstexten verwendet werden.


Die bekannte österreichische Fernsehjournalistin Elizabeth T. Spira befand zu den Vorteilen einer einfachen Sprache im Übrigen sinngemäß einmal, dass Fragesteller zum Nachweis eines hohen Bildungsgrads oft “unglaubliche Schachtelsätze” verwenden. Sie sei dagegen gebildet und kann daher ihre Fragen sprachlich einfach halten. Dies war wohl einer der Bausteine für den Erfolg ihrer TV-Beiträge.


Das lässt sich wunderbar auf Verträge ummünzen. Je sprachlich eindeutiger und knapper ein Vertrag gestrickt ist, desto mehr zeugt dies von Qualität und letztlich Eleganz.


Welche Vorteile elegante Verträge sonst noch bieten, insbesondere wenn sie verhandelt werden, und warum sie auch gut automatisierbar sind, lesen Sie in den nächsten Beiträgen.


VALFORD Rechtsanwälte erstellt im Übrigen nur elegante Verträge. Wenn Sie mehr erfahren wollen, kontaktieren Sie uns. Wir sind gerne für Sie da.


Wien, 15. November 2022

Matthias Trummer



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